Noch zu Beginn der Ausgrabungen: der Blick von Norden auf den Ettinghausen-Platz. © Foto: Elke Sichert / Denkmalamt Frankfurt am Main

Mauerreste der zerstörten Synagoge auf dem Ettinghausen-Platz in Höchst

Rundgang: Das Denkmalamt gab am 11. Mai 2020 Interessierten einen Einblick in laufende archäologische Grabungen.

Die Stadt Frankfurt machte es spannend: Seit Mitte März ist der in unmittelbarer Nähe zum Markt gelegene Ettinghausen-Platz, dessen Name an eine der angesehensten jüdischen Familien erinnert, hinter einem Bauzaun verschwunden. Fotografieren war sogar umliegenden Nachbarn, die von oben einen Einblick auf das Areal hatten, untersagt.

Der Höchster Markt und die 1905 errichtete Synagoge. Aufnahme von 1923.

Der Höchster Markt und die 1905 errichtete Synagoge am heutigen Ettinghausen-Platz. Aufnahme von 1923.

Jetzt konnten Interessierte, die sich von Eiseskälte und Dauerregen nicht haben abschrecken lassen, den Grund dafür besichtigen. Auf dem Ettinghausen-Platz stand eine 1905 erbaute Synagoge, die von den Nazis 1938 in der  Reichspogromnacht angezündet wurde. Den Grundriss dieser Synagoge zu finden, ist ein Ziel der Grabungen. Denn das jüdische Gotteshaus, das weiß man, wurde nur oberflächlich abgerissen – aus archäologischer Sicht ein Glücksfall. Ab dem 7. April wird nun Schicht für Schicht Erdreich abgetragen, beginnend ab dem 1940 errichteten Bunker mit seiner charakteristisch rosafarbenen Fassade. Schnell wurden die Archäologen fündig: Direkt unter dem Kopfsteinpflaster in nur 30 Zentimeter Tiefe stießen sie auf die aus Backstein gemauerten Entlastungsbögen des Fundaments. Inzwischen sind die Erdlöcher bis zu drei Meter tief.

Für den Laien sieht es auf den ersten Blick eher unspektakulär aus: Mauerreste, ein angedeuteter Rundbogen, ins Erdreich führende Steintreppen. Umso interessanter natürlich die Ausführungen der Leiterin des Denkmalamtes Frankfurt, Andrea Hampel, und Grabungsleiterin Elke Sichert, die die Besichtigung durchführten und über den Tag verteilt rund 190 Personen in kleinen Gruppen die aktuellen Grabungen zeigten.

Laut Hampel könnte es sich bei einem Teil sogar um einen Rest der Fundamente der noch älteren Synagoge handeln, die die Jüdische Gemeinde damals selbst überbaut hatte. Auch Teile der Stadtmauer, die in den Jahren 1355 bis 1432 dort verlief, sind erkennbar. Der Mauerring hatte mehrere Türme und Tore. Im Grabungsbereich liegt der sogenannte Hinterturm.

Nachdem die jüdische Gemeinde das Areal 1798 erworben hatte, hieß er „Badstubenturm“ – ein deutlicher Hinweis, dass die aktenkundige Mikwe, das rituelle Tauchbad, darin errichtet wurde. Der Liederbach durchquert die Grabungsfläche von Norden nach Süden und speiste auch die Wassergräben der Stadtbefestigung, war aber wohl auch die Quelle der Mikwe.

Nach dem Stadtbrand 1778 wurden die Befestigungsanlagen aufgelassen und der Wassergraben teils verfüllt, teils überbaut. So erweiterte zunächst die Höchster Porzellanmanufaktur ihre Flächen nach 1778 über die Stadtgräben nach Norden; sie war 1746 als drittälteste Manufaktur in Europa im ehemaligen Fronhof, dann Porzellanhof, gegründet worden.

Teile des Porzellanhofgartens wurden 1798 durch die Jüdische Gemeinde erworben. 1805/1806 wurde der Hinterturm von der nassauischen Regierung der jüdischen Gemeinde zum Bau eine „Judenschule“ überlassen, es dürfte sich dabei um die ältere Synagoge handeln. Diese wurde 1816 abgebrochen und in gleichen Ausmaßen auf den Fundamenten wieder errichtet. Die Grundsteinlegung des jüngsten Baus erfolgte am 16. Mai 1905, die Synagoge wurde im Grabenbereich nach Plänen des Architekten Münchhausen aus Köln errichtet und im Dezember 1905 eingeweiht.

Die Archäologinnen erhoffen sich mehr. Die Hälfte der Fläche habe man inzwischen erschlossen, nun will man den Keller und den Eingangsbereich der Synagoge erkunden und sich „von hinten nach vorne vorarbeiten“, so Hampel – also in Richtung Marktplatz, da wo jetzt die Besucher standen. Es bleibt spannend.

Rund um die Baustelle gibt es bebilderte Infotafeln zur Höchster Geschichte und zum jüdischen Leben in Höchst. Gestaltet wurden sie vom Büro für Typografie und Gestaltung in Höchst sowie an der Nordseite (Schleifergasse) von der AG Geschichte und Erinnerung. Nach den Grabungen können die Tafeln zum jüdischen Leben auch an Schulen oder andere Einrichtungen verliehen werden.

Übrigens: Von der Kronengasse her kommend sind fünf kleine Gucklöcher in den Bauzaun eingelassen. So kann künftig jeder selbst einen Blick auf die Grabungsarbeiten werfen.

Sonja Möschter

Fotos Grabungen: © Elke Sichert, Denkmalamt Frankfurt am Main / 13. April 2020.
Fotos Bauzaun: © Sonja Möschter / 7. Mai 2020.