360 wehrhafte Höchster!

Die restaurierte Bürgertafel von 1814 mit Namen von Höchster Bürgern kommt in den Bolongaro-Palast.

Übergabe der restaurierten Bürgertafel in Frankfurt-Höchst. Von links nach rechts: Vereinsvorsitender Frank Mayer, Patricia Stahl vom Porzellan-Museum Höchst, Restauratorin Martina Noehles, Simone Krämer von der Dr.-Marschner-Stiftung. Foto: © Sonja Möschter 2024.

Vor neun Monaten wurde sie der Restauratorin übergeben, jetzt konnten der Geschichtsverein die Bürgertafel von 1814 in Empfang nehmen. Martina Noehles, erfahrene Restauratorin für Grafiken, Bücher und Papier mit Atelier in Mühlheim am Main, hat wieder einen tollen Job gemacht. Denn Papierfraß und Lagerungsschäden durch Feuchtigkeit mussten dringend ausgebessert werden, damit die historisch einmalige Bürgertafel mit den Namen ehemaliger Höchster im künftigen Bolongaro-Museum für die Öffentlichkeit ausgestellt werden kann. Die Überarbeitung der Bürgertafel hat die Dr.-Marschner-Stiftung mit Sitz in Frankfurt mit rund 2.000 Euro gefördert.

So durften die Kulturwissenschaftlerin Simone Krämer von der Marschner-Stiftung, unser Vereinsvorsitzender Frank Mayer sowie Konstantin Lannert, Kurator des „offiziell“ im Herbst dieses Jahres eröffnenden Bolongaro-Museums mit dabei sein. Als Noehles die Bürgertafel aus der schützenden Luftpolsterfolie entnahm, entfuhr es Mayer: „Ein Unterschied wie Tag und Nacht“. Und weiter: „Die war so dreckig“. Wer den unrestaurierten Zustand des historisch wertvollen Objektes kannte, nickte bestätigend. Kein Wunder. Lagerte die über 200 Jahre alte Holztafel doch über viele Jahrzehnte ungeschützt und unbeachtet in einer Ecke des Archivs des Geschichtsvereins.

Vermutlich hat die Bürgertafel mit der Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813 zu tun, als zahlreiche Soldaten aus dem Rheinbund in der Region unter dem Befehl Napoleons gegen Preußen und Russland kämpften. Die Niederlage Napoleons wurde kurzerhand zum gemeinsamen Sieg aller Deutschen über Frankreich verklärt und es gab 1814 zum Jahrestag viele Erinnerungsfeiern. Auf der aufklappbaren Holztafel befinden sich innen zwei Papierbahnen mit 360 Namen – durchnummeriert, zum Teil mit Häkchen dran, Todesfall-Kreuzen und sogar einigen gemalten Totenköpfen und Gesichtern. Namentlich verzeichnet sind Männer mit Vor- und Zunamen. Das Who is Who von 1814 also.

© Sonja Möschter 2024

© Sonja Möschter 2023

© Sonja Möschter 2024

© Sonja Möschter 2024

In einem alten Vereinsordner haben wir einen Pressebericht der Frankfurter Rundschau von 1956 entdeckt. In diesem steht, dass auf dieser Bürgertafel „die 959 wehrhaften Männer von Höchst“ verzeichnet seien. Wir können nur Mutmaßungen anstellen. Vielleicht haben 959 Höchster damals in der Völkerschlacht gekämpft, doch nur die Haushaltsvorstände wurden in die Liste aufgenommen. Das würde bedeuten, dass jede Familie 2-3 Männer und Söhne in den Krieg schicken musste.

Insgesamt hat die Restaurierung der Höchster Bürgertafel rund 40 Arbeitsstunden gebraucht. Kleiner Wermutstropfen: Einige Namen werden nicht mehr zu lesen sein. Die gute Nachricht: Die restlichen Namen versuchen wir zu entziffern.

Text: Sonja Möschter