Verein für Geschichte und Altertumskunde
Frankfurt a.M.-Höchst e.V.
Es war eine Menge los in Höchst: 125 Jahre Vereinsgeschichte im unterhaltsamen Schnelldurchgang. Präsentiert von unserem Kunsthistoriker Dr. Wolfgang Metternich.
Am 8. März 1894 trat in der Gaststätte zur „Schönen Aussicht“ eine sehr honorige Versammlung zusammen, unter ihnen die Spitzen der Höchster Bürgergesellschaft. Diese Versammlung gründete – mal wieder – einen Verein, unseren „Verein für Geschichte und Altertumskunde, Frankfurt am Main-Höchst“. Man zählte die letzten Jahre des 19. Jahrhunderts und Vereine waren für Kultur und Freizeitgestaltung der Bürger von Höchst so wichtig wie für Fische das Wasser. Es war, vor allem nach der Reichsgründung von 1870, die hohe Zeit der Vereinsgründungen. Das sollte bis ins 21. Jahrhundert so bleiben.
Manche spotteten: Wenn mehr als drei Deutsche sich treffen, gründen sie einen Verein. Das war in Höchst nicht anders. In der aufstrebenden Industriestadt mit ihrem rasanten Wirtschaftswachstum und den rasch wachsenden Einwohnerzahlen gab es neben den alteingesessenen Bürgern genügend Interessengruppen, die gemeinschaftlich ihren Belangen nachgingen, sich aber auch vergnügen wollten. Wo ging das besser als in einem Verein? Der kaum aussprechbare lange Name „Verein für Geschichte und Altertumskunde“ wurde bald darauf verkürzt Geschichtsverein genannt. Das ist bis heute so geblieben.
Der Verein war zum Zeitpunkt seiner Gründung keineswegs der erste und auch nicht der einzige unter den Höchster Vereinen. Allein vier Kriegervereine marschierten am Sedanstag in strammer Haltung durch die Stadt. Noch älter waren gar die Turn- und Sportvereine, mit damals teilweise schon 50-jährigen Jubiläen. Konfessionelle Vereine wollten nicht hintendran stehen, ebenso wenig die landsmannschaftlichen Zusammenschlüsse – aber bitte alle säuberlich getrennt nach Herkunft und Weltanschauung. Das galt sogar für die aus heutiger Sicht etwas exotischen Stenografen mit ihrer Kurzschrift. Streng nach den Stenografie-Systemen Gabelsberger und Stolze-Schrey separiert, versuchten sie, sich mit ihren Vereinen nicht in die Quere zu kommen. Kurz: Einen Verein gab es schon vor 1890 für jeden – na, sagen wir, für fast jeden. Doch die Freunde der lokalen und auch der vaterländischen Geschichte waren bislang heimatlos geblieben.
Die Höchster Geschichte den Bürgern nahezubringen, hatte schon einer der einflussreichsten Honoratioren der Höchster Gesellschaft, der katholische Pfarrer Emil Siering mit seiner Justinuskirche, versucht. Im Jahr 1890 brachte er zum vermeintlich 1100-jährigen Jubiläum der Justinuskirche ein sehr bemerkenswertes Buch heraus. Es enthielt viele Informationen über die Geschichte der lange etwas verschlafen geltenden Amtsstadt Höchst. Nun konnte jeder nachlesen, wie bedeutend das alte Höchst war.
Römische Kaiser waren durch Höchst gekommen, Karl der Große spendierte die Gründungssage von Höchst, der allgegenwärtige Goethe machte hierher seine weinseligen Ausflüge. Napoleon nahm in Höchst seine letzte Mütze Schlaf auf deutschem Boden. Wilhelm der II, der Plötzliche, sollte erst noch kommen, Adolf Hitler zum Glück nicht. Der beschenkte dennoch den Höchstern einen nackten Krieger, eine Bronzefigur aus seiner Privatschatulle, wohl wissend, dass er hier nicht wenige Sympathisanten hat. Minister, Kanzler und Könige sollten in Scharen folgen. Das alles wollte irgendwann mal erforscht und vorgezeigt werden.
Zum Erforschen und Vorzeigen braucht man entweder ein Historisches Institut oder ein Archiv. Dazu viele Quellen, Akten und Materialien, anhand derer man die Geschichte schreiben und darstellen kann. So etwas gab es 1894 in Höchst nicht, war auch nicht in Sicht. Also gründete man einen Verein. Der sollte sich um die als bedeutend wahrgenommene Geschichte von Höchst kümmern. Kein Wunder, dass der tatkräftige Pfarrer Siering unter den Gründern anzutreffen war. Mit ihm zusammen leisteten engagierte und einflussreiche Leute Geburtshilfe und traten in den ersten Vorstand ein: Bürgermeister Wilhelm Karraß, Dr. Gustav von Brüning von den Farbwerken, fürs Historische der Gymnasialoberlehrer Dr. Edmund Suchier und auch bekannte Persönlichkeiten wie August Gottschalk und Georg Schäfer waren dabei. Der Start war gelungen.
Man begann mit Vorträgen zu Höchst und seiner Geschichte und einer ausgreifenden Sammlungstätigkeit. Den ersten Vortrag hielt Pfarrer Siering über die gerade neu entdeckte und freigelegte Darstellung des jüngsten Gerichtes in der Justinuskirche. Seitdem bietet der Geschichtsverein fast ununterbrochen Vorträge über die Geschichte von Höchst und auch zu anderen Themen an, meistens auf eigenen Forschungen beruhend. Die Überlassung des Zollturmes an den Geschichtsverein 1899 gab diesem die notwendigen Räumlichkeiten, um die wachsende Zahl der Sammlungsstücke zur Geschichte von Höchst unterzubringen und später ein kleines Museum einzurichten.
Der Geschichtsverein verstand und versteht sich immer als Dienstleister an dem Stadtteil Höchst und allen hier lebenden historisch Interessierten. Es verdient hervorgehoben, dass für die Vorträge des Geschichtsvereins bis zum heutigen Tage keine Eintrittsgelder erhoben werden. Diese Art der Vermittlung von Bildung und Kultur muss allen frei zugänglich sein. Gleiches gilt auch für die vielen historischen Anfragen, die hier regelmäßig eingehen. Ob Bürger, Zeitungen, Autoren oder die Stadtverwaltung: Jedem wird nach den Möglichkeiten, über die der Verein verfügt, geholfen – und das seit 1894. Darauf sind wir stolz.
Der Verein überstand zwei Weltkriege und auch die Nazizeit, wenn auch unter schweren Beeinträchtigungen. Vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg war der Neubeginn schwer. Hier verdient der Name von Dr. Rudolf Schäfer, oft abschätzig „Trümmer-Rudi“ genannt, besonders hervorgehoben zu werden. Mit großem persönlichen Aufwand schaffte er es, mit einem kleinen Team von Mitgliedern, darunter Rolf Kubon, den Verein wieder aufzubauen. Sogar eine eigene Schriftenreihe wurde begründet: die Höchster Geschichtshefte. Möglich wurde dies durch die Unterstützung der Stadtverwaltung und des großen Sponsors Hoechst AG, genauer gesagt in der Person des Vorstandsmitgliedes Erhard Bouillon. Ein absoluter Höhepunkt war 1976 die Eröffnung des Museums für Höchster Geschichte im Höchster Schloss.
Mittlerweile ist die Hoechst AG seit 20 Jahren selbst Geschichte. Der Verlust des Hauptsponsors bedeutete für den Geschichtsverein harte Einschnitte. Das Höchster Schloss bekam neue Eigentümer, das Museum musste geschlossen werden. Die Höchster Geschichtshefte konnten nicht mehr fortgeführt werden. Dennoch ging die Forschungs- und Publikationstätigkeit des Geschichtsvereins weiter – in Form von Beiträgen und Ausstellungen an anderer Stelle. Die Vorträge fanden weiterhin großen Anklang bei der Bevölkerung und Besuchern aus Frankfurt und Umgebung.
Seit 2017 strukturiert sich der Verein um und geht neue Wege. Seiner Hauptaufgabe, die Erforschung und Darstellung der Geschichte von Höchst und nach dem Untergang der Hoechst AG auch dessen Geschichte, kommt er weiterhin nach. Das Porzellanmuseum im „Kronberger Haus“, das „Historische Museum Frankfurt“ als Partner, bieten Raum für Vorträge und regelmäßige Ausstellungen. Die Sammlung an Akten und Exponaten aus 125 Jahren ist geeignet, ein neues Museum zu füllen – eines, das sich der Vermittlung der Geschichte für Höchster Bürger, für Touristen, Schulen und alle Interessierten zur Aufgabe machen möchte. Know-how, Quellen und vor allem Engagement sind vorhanden.
Wer sich für die Historie von Höchst begeistert und gern mitarbeiten will, ist herzlich eingeladen – wenn es sein soll, für die nächsten 125 Jahre.